Die Magie der Akronyme. Teil 1: FAIR

Kennt Ihr das?
Ihr lest etwas, und denkt etwas anderes dazu, und dieses etwas ist so banal, so selbstverständlich, so offensichtlich – und dann wollt Ihr dazu das relevante Standardwerk (Buch, Aufsatz, ISO-Norm) zitieren, aber ihr findet nichts? Wurde diese Selbstverständlichkeit wirklich bisher noch von niemandem aufgeschrieben?
Im Falle von Büchern oder Aufsätzen ist dies häufig der Beginn (oder das Ende) eines Forschungsprojektes: Dann schreibe ich das eben selbst!

Es ist ja gut möglich, dass das scheinbar banale etwas nur für Euch so banal, einleuchtend und selbstverständlich ist, weil Ihr Euch so gut damit auskennt, Expertin oder Experte für angrenzende oder verwandte Gebiete seid, und Euer Verstand Verknüpfungen erstellt, die für den Rest der Welt nicht so offen da liegen.
Nichts wäre naheliegender, als die Erkenntnis in das für die akademische Fachrichtung passende Format zu gießen und zu publizieren (natürlich FAIR und offen!)

Es kann aber auch sein, dass dieses etwas so dermaßen offensichtlich ist, dass es als stillschweigender Grundwert im Denken und Handeln mitschwingt – aber niemals explizit ausformuliert wird.
Dann kann es sehr hilfreich sein, sein unausgesprochenes Grundprinzip einmal auszusprechen und ihm einen Namen und somit auch – Magie der Sprache! – eine Form zu geben. Erst jetzt können wir uns darüber offen verständigen und es explizit, im Detail, mit allen Narben und Warzen erörtern.

Häufig ist es nämlich so: wenn man bei Debatten, Diskussionen und Streitgesprächen nicht zusammenfindet, teilt man wahrscheinlich bestimmte Grundwerte oder Glaubenssätze nicht. Spricht man diese einmal offen an und aus, sieht man möglicherweise eine Lösung – oder zumindest das Problem.
Warum erzähle ich das alles?
Bei der Erstellung der „Data Clues“ ging es nicht nur um die Verknüpfung der Informationen – wir wollten auch einen Anlass finden, über die FAIR Prinzipien zu sprechen.

Grafik der FAIR data Principles. 
Das Acronym ist in der ersten Zeile ausgeschrieben, darunter sind als Symbole eine Lupe für Findable, eine Hand, die den Finger auf einen Punkt legt für Accessible, Zahnräder für Interoperable und das Recyclingsymbol für Reusable
FAIR data principles © 16 November 2016 by Sangya Pundir is licensed under CC BY-SA 4.0. To view a copy of this license, visit https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ https://commons.wikimedia.org/wiki/File:FAIR_data_principles.jpg

FAIR data, das steht für Findable, Accessible, Interoperable, Reusable. Das Wort „fair“ kommt hingegen aus dem Teamsport und bezeichnet kameradschaftliches Verhalten und die Akzeptanz von Regeln. Somit ist das Akronym automatisch mit sozialen, kollaborativen Werten aufgeladen.
Wissenschaftliches Handeln (FAIR data! Open Science!) und wissenschaftliche Werte (Gute wissenschaftliche Praxis!) klingen gleich – aber sind sie auch synonym?
(Spoiler: nein, natürlich nicht…)

Die „Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ dienen zwar der Codifizierung berufsethischer Standards. Aber die Definition, was genau „gute Praxis“ sei, bleibt erstaunlich schwammig – „lege artis“ solle man arbeiten, es fällt das Wort „Redlichkeit“.
Immerhin: Leitlinie 13 empfiehlt explizit, zur Nachvollziehbarkeit, Anschlussfähigkeit und Nachnutzbarkeit der Forschung den FAIR-Prinzipien zu folgen. Deren Einschränkung wird zum Ausnahmefall erklärt, der begründet werden muss.

Für die Open Science ist „FAIR“ zwar eine der Grundvoraussetzungen, aber sie geht doch weit darüber hinaus und böte Stoff für eine ganze Serie von eigenen Blogposts.
Trotzdem sind die Worte „FAIR“ und „Open (Science)“ so eng miteinander verknüpft, dass sie oft in einem Atemzug genannt werden. Durch die Verknüpfung werden sie pars pro toto alltagsprachlich nahezu synonym benutzt.
Und ich bin sicher: Die große semantische Überschneidung zwischen FAIR und „fair“ trägt zu ihrem Erfolg bei.

Denn die FAIR-Prinzipien leuchten uns sofort ein:
Natürlich! Wissenschaft kann nur vorankommen, wenn wir Erkenntnisse (vor allem aus staatlich geförderter Forschung) nicht nur veröffentlichen, sondern andere sie auch finden, Zugang zu ihnen erhalten, über Systeme hinweg weiterverarbeiten und sie als Grundlage für weitere Forschung wiederverwenden können.
Das ist nur fair!
Offensichtlich? Einleuchtend? Banal?
Ja klar! FAIR ist fair!

So können wir, indem wir über „FAIR“ als Wertesystem sprechen, davon ausgehend auch die Grundsätze der Open Science erklären, verbreiten und ganz bewusst als Standard-Vorgehen des Wissenschaftlichen Arbeitens etablieren.
FAIR zu arbeiten mag einfach klingen, aber leicht ist es nicht.
Obwohl die FAIR-Prinzipien (und die Grundsätze der Open Science) so offensichtlich und einleuchtend sind – wir wären alle nicht hier, wenn uns die Umsetzung im Alltag leicht fallen würde.

Deshalb hat WiNoDa bereits mehrere Veranstaltungen zu Open Science im allgemeinen und FAIR im Besonderen angeboten:
– am 13. Mai 2025 ein Workshop: „How to Open Science… in Earth and Human History Research“. (Präsention: https://doi.org/10.5281/zenodo.15696305)
-am 20. Mai 2025 ein Webinar: „Be FAIR and CARE: Grundprinzipien für Open Science in der Forschung mit Objekten“. (Präsentation: https://doi.org/10.5281/zenodo.15607066, Aufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=02cCwscKzC0)
-am 1. Juli 2025 ein Webinar: Datenethik und Open Science: Durch die Komplexität der Zugänglichkeit und Transparenz von Forschungsdaten navigieren“ (Präsentation: https://zenodo.org/records/15782545, Aufzeichnung: Link wird nach Veröffentlichung ergänzt )
Guckt ruhig mal rein!
(Weitere Angebote werden folgen…)

Die FAIR-Prinzipien wurden 2016 hier veröffentlicht: https://www.nature.com/articles/sdata201618. 
Siehe auch: https://www.go-fair.org/fair-principles/

Die Leitlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis wurden 2019 hier veröffentlicht: https://zenodo.org/records/14281892 und werden kontinuierlich weiterentwickelt. 
Siehe auch: https://wissenschaftliche-integritaet.de/

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Schröder, Dr. Asta von. (2025). Die Magie der Akronyme. Teil 1: FAIR. WiNoDa Knowledge Lab. https://winoda.de/2025/08/13/die-magie-der-akronyme-teil-1-fair/ (Accessed on August 16, 2025 at 11:14)
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